Historie des Platzes
Ein Ort mit Geschichte…
…und ein Platz, der nicht immer einer war
Ein Plätzchen ist es eigentlich, wenn man ehrlich ist. Aber eins mit einer Geschichte. Nichts spektakuläres, eher eine alltägliche Geschichte, wie sie sich unzählige Male begeben hat. Aber deshalb nicht minder interessant.
En paar Meter südlich vom Platz ist der Schnittpunkt dreier Bezirke: Prenzlauer Berg, Pankow und Weißensee. Heutzutage ballt sich hier der Verkehr, mehrere Straßenbahnen fahren nach Ost und West vorbei, auf der Prenzlauer Promenade und der Ostseestraße stauen sich regelmäßig die Fahrzeuge. Das war nicht immer so.
Noch vor 150 Jahren erstreckten sich an der selben Stelle die ausgedehnten Felder des Rittergutes Weißensee. Rund um die damals schon bestehende Chaussee nach Prenzlau baute der durch die gleichnamige Straße geehrte Pistorius seit 1821 Kartoffeln an, die er geschäftstüchtig zur Schnapsherstellung verwendete. In einigen Büchern heißt es, er habe sich um die Technik der Schnapsbrennerei verdient gemacht. Trotzdem änderte dieser erste proto-industrielle Ansatz nichts an der dörflichen Verschlafenheit des Gutsbezirks, der 1872 gerade mal 169 Einwohner zählte.
Aber dann ging es los. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg, in dessen Folge ein zumindest territorial geeintes Deutsches Reich entstand, flossen Reparationszahlungen und trugen zur heute allgemein bekannten Gründerzeit bei. Just an der Stelle des heute noch namenlosen Platzes, an der Mündung der Heinersdorfer Straße in die damals noch Uckermarkstraße genannte Prenzlauer Promenade, errichtete der Schlossermeister Ortmann das erste Wohnhaus. Straßen und Plätze wurden, anders als in Berlin, ohne Generalplan projektiert und mit den Namen ihrer Bauherren versehen. Die Gustav-Adolf-Straße erinnert also nicht an den berühmten Schwedenkönig, sondern an einen Hamburger Kaufmann.
Ab 1873 holperte der erste Pferdebus an der Spitze vorbei von und nach Berlin. Die Einwohnerzahl stieg und immer mehr Gewerbebetriebe siedelten sich an. In Meyers Lexikon von 1895 wird auf die Blumentopf‑, Nudel‑, Makkaroni‑, Luxus- und Kartonpapier-Fabrikationen im Viertel hingewiesen.
In rasantem Tempo wurde nun das ehemalige Rittergut bebaut und als Neu-Weißensee bekannt. Schon damals wurden hier Kneipen und Restaurants mit errichtet, da Weißensee als Unterhaltungsrevier für vergnügungslustige Berliner galt. Bierbrauereien, Schnapsdistillen, die 1876 entstandene Trabrennbahn und das 1886 eröffnete „Welt-Etablissement Schloß Weißensee” zogen viele Besucher an.
1920 wurde dann Weißensee mit zahlreichen anderen Dörfern nach Berlin eingemeindet. Damals lebten hier bereits 45.880 Einwohner. Zu dieser Zeit standen die Häuser Prenzlauer Promenade 1 und 2 schon nicht mehr. Sie waren wegen Baufälligkeit abgerissen worden. So war ein kleiner Platz entstanden, auf dem regelmäßig Händler ihre Ware feilboten.
1925 wurde das Grundstück von Nummer 2 mit einem neuen Eckgebäude bebaut. Ein Zigarrenladen, eine Reinigung und ein Gemüseladen deckten den Bedarf der Bewohner. Den 2. Weltkrieg überstand Weißensee relativ wenig beschädigt. Das Haus Prenzlauer Promenade 2 wurde jedoch bald nach Ende des Krieges abgerissen. Die Heinersdorfer Straße wurde zu DDR-Zeiten zur Sackgasse.
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Weitere Einzelheiten zur Geschichte der beiden nicht mehr existierenden Häuser und des wegen dieses Umstandes entstandenen Platzes erfahren Sie auf diesen Seiten:
Der Wochenmarkt
Die Weißenseer Spitze zwischen Prenzlauer Promenade, Heinersdorfer Straße und Gustav-Adolf-Straße war schon seit langer Zeit ein Schnittpunkt der Verkehrslinien von und nach Berlin. Wohl aus diesem Grund entstand hier ein Wochenmarkt nachweislich seit Beginn der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts, die Fläche des ehemaligen Hauses Prenzlauer Promenade 1 war schon ab 1914 an einzelne Händler vermietet. In den dreißiger Jahren bis zum Kriegsbeginn fand hier regelmäßig zweimal wöchentlich ein Markt statt. Aus dem Umland fuhren morgens um 4 die Gemüsehändler los, sie kamen aus Falkenberg, Malchow und Wartenberg. Auch Fischhändler gab es hier, damals wie heute. Ab 7 Uhr verkauften sie an der Spitze Heinersdorfer Straße ihre Ware. Hier gab es einen Wasseranschluss, der besonders für die Fischhändler wichtig war. Die Marktstände zogen sich damals die ganze Heinersdorfer Straße bis zur Langhansstraße durch.
Wegen Warenmangel wurde der Markt während des Krieges eingestellt. Nach dem Krieg, in den 1950er Jahren, verkauften hier nur noch einzelne Gemüsehändler. Vermutlich wegen Bevorzugung des staatlichen und genossenschaftlichen Handels wurde der Markt eingestellt. Erst nach der Wende 1990 kam es zu einer Wiederbelebung des Marktes. Regelmäßig ist jetzt mittwochs und freitags Markttag. Die Zahl der Stände ist mittlerweile rückläufig, der Markt droht mangels Interesse zu verschwinden.
Das Toilettenhäuschen
Diese Berliner Tradition der öffentlichen Bedürfnisanstalten hatte sich auch hier manifestiert. Das erste Toilettenhäuschen wurde 1925 auf der Freifläche Prenzlauer Promenade 1 gebaut, direkt neben der Kastanie. Noch 1958 vorhanden (siehe Postkarte), wurde es in Folge abgerissen und in den sechziger Jahren ein Toilettenanbau an das Haus Prenzlauer Promenade 3, der heutigen Brotfabrik, angesetzt. Dieser Anbau musste 1994 bei der damaligen Neugestaltung der Freifläche weichen; die Firma Wall baute eine moderne City-Toilette wiederum neben der Kastanie. Bei der erneuten Umgestaltung des Caligariplatzes im Jahr 2004 wurde die Toilette an die Kreuzung Ostseestraße versetzt.
Der Zeitungskiosk
Wie auf der Postkarte von 1958 zu sehen, stand dort an der Spitze ein Zeitungskiosk. Darüber ist bisher nichts bekannt. Nach der langen Geschichte dieses Ortes hat wohl nur noch eine Kastanie ihren Platz aus alten Zeiten behalten.
Heutzutage existiert um das Plätzchen herum ein merkwürdiges Konglomerat aus Händlern und Kleinhandwerkern, sanierten Gründerzeitbauten, niedrigen Kolonistenhäusern und verwunschenen Hofwerkstätten. Altes und Neues steht an dieser Stelle, ohne recht zueinander zu finden. Der Platz schuf mit der Neugestaltung im Jahre 2003 Verbindungen und wurde ein neues Zentrum.
Zum Namen des Caligariplatzes
Hier in der Nähe des Platzes existierten schon lange zwei Kinos, 1910 wurde in der Prenzlauer Promenade 6–8 das Backhaus-Kino eröffnet, dann in Promenaden-Lichtspiele, Alhambra und Corsokino umbenannt, seit 1938 als Rio-Kino betrieben. Das Delphi wurde 1929 in der Gustav-Adolf-Straße als großes Erstaufführungskino eröffnet. Zudem war Weißensee in den zwanziger Jahren als Produktionsort zahlreicher Filme bekannt. Der Klassiker der Filmgeschichte „Das Cabinett des Dr. Caligari“ wurde 1919–20 in einem Weißenseeer Studio an der Liebermannstraße gedreht. Um an diese große Kino- und Filmgeschichte von Weißensee zu erinnern, wurde dieser Name gewählt. Heute ist diese Kinotradition nahezu verblichen, die Kinos Delphi und Rio wurden 1959 und 1997 geschlossen. Lediglich das Kino in der Brotfabrik hält mit seinem Programm die Filmtradition dieses Ortes aufrecht.
Literaturempfehlung:
Adolf Damaschke
(1865–1953)
"Lebensweg eines Großstadtjungen"
(Essen 1931):
"… In jener Zeit war diese Ecke von Neu-Weißensee (im Volksmund Karnickelberg genannt) etwa die äußerste Nordgrenze der Großstadt. Ihre Wogen spülten dort an, was in ihr irgendwie Schiffbruch gelitten hatte. Schon das Eckhaus Prenzlauer Chaussee 1 sahen wir mit einigem Grauen. Es wurde erzählt, daß dort eine Falschmünzerbande ausgehoben worden sei…"
Weißenseer Mosaik Nr. 16
Der Weißenseer Heimatfreunde e.V. hat unter dem Titel 'Projekt Caligariplatz' sein Weißenseer Mosaik Nr. 16 veröffentlicht. Das kleine Faltblatt, das für 1,50 € zzgl. Porto beim Verein zu bestellen ist, bietet auf sechs Seiten komprimiert die Geschichte des heutigen Caligariplatzes. Zahlreiche s/w‑Abbildungen ergänzen die Zeitreise durch die letzten 150 Jahre, die so bisher noch in keiner Publikation nachzulesen ist und auf Grund der Recherchen des Heimatvereines und der Brotfabrik entstand.
Bestelladresse: Weißenseer Heimatfreunde e.V.,
Caligariplatz 1, 13086 Berlin
Tel.: 030–925 77 71
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Namensgebung
Der Name "Caligariplatz" soll an die einstige Filmstadt Weißensee erinnern
Umgestaltung
Wettbewerb und Umsetzung | Mit der Namensgebung sollte auch das Antlitz des Platzes geändert werden. Die damalige Gestaltung entsprach nicht der Funktion eines klassischen Stadtplatzes.
Filmstadt Weißensee
1913 – 1933: Großartige Kulissen, berühmte Filme, Regisseure und Schauspieler in Weißensee
Der Film
"Das Cabinet des Dr. Caligari" ist ein Meilenstein der Filmgeschichte, dessen Ursprung in Berlin-Weißensee liegt. An diese Wurzeln gilt es zu erinnern