Text, Original, ©Bezirksmagazin, April 2002
Ein Platz für Dr. Caligari
Das Areal an der Weißenseer Spitze soll den Namen eines deutschen Stummfilmklassikers erhalten.
Es ist weitgehend in Vergessenheit geraten, dass auch Berlin-Weißensee einst ein Zentrum deutscher Filmgeschichte war. Erst mit dem Bau der Ufa-Studios in Potsdam-Babelsberg verlor der Standort nach und nach seine Bedeutung. Neben zahlreichen anderen Stummfilmen wurde in Weißensee 1919 unter der Regie von Robert Wiene „Das Cabinet des Dr. Caligari“ gedreht – jene düstere Parabel über die Manipulierbarkeit der menschlichen Psyche, die in der Geschichtsschreibung als erstes deutsches Filmkunstwerk überhaupt gilt. Ein Modell des damaligen Ateliers ist heute im Filmmuseum am Potsdamer Platz zu bestaunen; am historischen Ort selbst erinnert jedoch nichts mehr an die einstige Bedeutung Weißensees als Filmstadt.
Dem Glashaus e.V. als Betreiber der Brotfabrik ist es ein ureigenes Anliegen, an die film- bzw. stadtgeschichtlichen Traditionen anzuknüpfen und auf diese öffentlich hinzuweisen.
Die Brofabrik mit Kneipe, Galerie und Theater, lnternetstudio und nicht zuletzt auch Kino stellt momentan das einzige Kulturangebot im Umfeld dar. Mit der Initiative, den bislang namenlosen Platz unmittelbar an der legendären „Weißenseer Spitze“ als Caligariplatz zu etablieren, soll an die einst reiche Kinokultur im Berliner Nordosten erinnert werden. Mittelfristige Ziel ist dabei die Umgestaltung dieses Areals in einen lebenswerten urbanen Platz. In einer Bürgerbewegung sollen Anwohner sowie Markt- und Gewerbetreibende mit einbezogen werden. Das Architekturbüro Civitas und die WALL AG haben bereits ihre Zustimmung zur Mitarbeit signalisiert.
Schon im Februar 2001 wurde offiziell ein Antrag auf die Benennung der Fläche in Caligariplatz gestellt. Erste Reaktionen von Presse und Politik stimmten optiminstisch. Sollte das Vorhaben gelingen, so wäre der Caligariplatz das erste öffentliche Straßenland überhaupt, das den Namen einer Filmfigur erhält. Der Verein der Brotfabrik weist mit seinen Veranstaltungen regelmäßig auf den Filmklassiker und ein Anliegen hin. So kam bereits im Rahmen der „Langen Nacht der Museen“ 2001 eine Live-Vertonung des Stummfilms durch Martin Stahlke (Gitarre) zur Aufführung und im November des gleichen Jahres eine weitere Variante durch das Essener Ensemble „interzone perceptible“. Weitere Aktivitäten sind geplant.